Über die neue Intimität im Vertrieb
Vorneweg, dieser persönliche Beitrag von mir ist die vereinfachte Sichtweise eines Vertrieblers und nicht die eines akademisch gebildeten Epidemiologen oder Virologen. Es ist keinesfalls ein Votum für Lockdown oder Grenzschließungen. Wir alle – und ich gehöre dazu - wünschen uns nur eines, Covid-19 so schnell wie möglich hinter uns zu lassen.

Nein, es ist mein Eindruck aus den letzten Monaten und mein Bemühen, der Pandemie aus Vertriebssicht einfach etwas Positives abzugewinnen.
Ich bin wie viele KollegInnen im Verkauf ruhelos auf der Suche nach neuen Kunden. Aus meiner Sicht die größte Herausforderung im Vertrieb, und auch die schönste.
Zuallererst sehe ich den Vorteil des ersten, effizienten Austausches mit einem möglichen Kunden. Der Videoanruf wurde zum probaten Medium für die erste Kontaktaufnahme. In rund einer Stunde finden beide Parteien höchst effizient heraus, inwiefern z.B. ein neues Produkt von Interesse ist. Ich weiß nicht, wie viele Reisekilometer ich in den letzten 12 Monaten hinter mich gebracht hätte, hätte es keine Pandemie gegeben. Wie viele dieser Reisekilometer und der damit verbundenen Zeit letztendlich sinnvoll investiert gewesen wären, wenn man nach einem ersten Meeting herausfindet, dass eine mögliche Zusammenarbeit keinen Sinn macht.
Diesem Fakt kann ich nur Positives abgewinnen: Zeit, Geld und CO2 eingespart! Ich erwarte persönlich auch, dass sich diese Form der Gespräche in der ersten Kontaktphase mit Kunden etablieren wird. Klar, Partnerschaften sind nicht nur kommerziell, sondern auch persönlich wichtig und auch ich freue mich auf die ersten realen Begegnungen mit unseren neuen Kunden. Hoffentlich demnächst.
Der zweite Aspekt, den ich zurzeit fast noch mehr schätze, ist der Unterschied eines formellen Meetings im Büro, gegenüber der Schicksalsgemeinschaft Homeoffice.
Ich weiß nicht, wie vielen neuen Kontakten ich vor der Pandemie unmittelbar vermittelt hätte, dass ich zwei Hunde habe, die in Videokonferenzen reinbellen oder Kinder, die unverhofft reinplatzen (als eine Art Videobombing!). So ergibt sich quasi eine persönliche Schicksalsgemeinschaft mit Menschen, die ebenso obige Phänomene mit mir teilen. Ich empfinde das als wertvoll und auch als einen schönen Aspekt, den die Pandemie mit sich bringt. Viele Gespräche werden persönlicher, da wir gerade dasselbe Los teilen. «Wie lauft das Pandemiemanagement bei euch in der Schweiz/Deutschland/Österreich?», «Welche Regeln gelten denn bei euch und wie geht man damit um?». «Schon einen Friseur-Termin?» Gemeinsames Jammern über Regierungsentscheide und die begrenzte Freiheit, oder das gemeinsame Lachen über Kinder und Haustiere, die urplötzlich Teil des Geschäftslebens werden, all das verschafft eine Form von Intimität.
Verstehen Sie mich bitte richtig, ich schreibe diese Zeilen in vollem Bewusstsein über viele, dramatische private Schicksale, die diese Krise mit sich bringt. Auch ich wünsche mir die baldige Rückkehr in die bekannte Normalität und dass sich die Wirtschaft rasch erholt.
Als Vertriebler ist man vielleicht auch dazu gedrillt, immer das Positive zu sehen. Nach diversen Kontakten, die kein Neugeschäft mit sich bringen, muss man sich im Verkauf immer wieder selbst motivieren. Das ist in unserer DNA.
Aber ich schätze diese derzeitigen Gespräche mit Geschäftspartnern, die einfach menschlicher und «intimer» sind, und ich weiss nicht, ob diese in einem Besprechungszimmer in normalen Zeiten so verlaufen würden. Man/Frau kommt sich zurzeit einfach näher, das ist mein Eindruck.
An dieser Stelle also ein Dankeschön an Alle, die sich an mein unaufgeräumtes Bücherregal im Hintergrund gewöhnt haben und mir Einblick in ihre Wohnzimmer und ihr Privates gewähren. Es bleibt unter uns. Versprochen! :-)